Sonntag, 30. April 2017

Innere Grenzen und ihre Erweiterung

Inneres Wachstum bedeutet, dass wir neue Räume in uns betreten, kennenlernen und bewohnbar machen. Mit jeder Neubesiedelung erweitern wir unsere Möglichkeiten und gewinnen spezielle Ressourcen, die es nur in diesen Räumen gibt. Wir können diesen Prozess auch so beschreiben, dass wir Teile von uns, die uns fremd geworden sind, wieder erschließen und zu uns nehmen. Auf diesem Weg finden wir mehr und mehr zur Ganzheit dessen, was wir sind.

Dabei stoßen wir auf Grenzen, die dort entstanden sind, wo uns alte Erfahrungen zur Vorsicht mahnen: Geh dort nicht hinein, es lauert etwas Schlimmes auf dich. Also brauchen wir den Mut, mit dem wir die Schwelle überwinden können. Er sagt: Auch wenn es gefährlich ist, bin ich bereit, das Risiko einzugehen, weil ich meine inneren Möglichkeiten erweitern will. Wir begeben uns also auf eine Heldenreise mit der Bereitschaft, uns mit den inneren Dämonen und Ungeheuern auseinanderzusetzen.

Jede erfolgreiche Erfahrung bestätigt uns auf dem Weg. Denn der Lohn besteht in mehr innerem Reichtum, mehr Kraft und mehr Freiheit.

Jede missglückte Erfahrung stellt uns vor die Wahl, in der Komfortzone mit ihren eingeschränkten Möglichkeiten zu bleiben oder den Weg trotz der widrigen Erfahrung weiterzugehen und mit anderen Voraussetzungen an die spezielle Grenze zu treten, die uns mit Schwierigkeiten konfrontiert hat. Was brauchen wir, damit wir diesmal ohne Schaden über die Grenze kommen und das Land jenseits davon erkunden, bis wir auch dort heimisch geworden sind?

Wir haben auch die Bequemlichkeit in uns, die uns signalisiert, dass wir mit dem, was wir an Raum zur Verfügung haben, schon genug an Freiheit haben. Warum das Risiko eingehen, das mit einer neuen Eroberung einhergehen könnte? Das ist allerdings nur eine der vielen verschiedenen Formen, in denen unsere inneren Grenzen auftauchen können. Wieder stehen wir vor der Wahl, gleich weiterzugehen oder zuzuwarten, bis der Druck groß genug ist, dass wir uns aufmachen, über unsere Bequemlichkeitsgrenze hinauszugehen.

Die Weisheit, die wir aus der Geschichte der Auseinandersetzung mit unseren inneren Grenzen schöpfen können, sagt uns, dass es kein Ende dieses Prozesses gibt und dass wir uns nur Gutes tun, wenn wir immer wieder nach unseren inneren Grenzen Ausschau halten, um Wege zu finden sie zu überwinden.

Wir brauchen uns nur die vielfältigen Erfahrungen unseres Alltags zu Bewusstsein bringen und stoßen auf eine Menge von Grenzen, die wir produzieren, wenn wir ihnen begegnen. Jede Form von Widerstand gegen eine Erfahrung, die sich als innere Ablehnung und Protest äußert, jede Form von Konflikt, in den wir mit anderen Menschen geraten, jedes Schutzgefühl, das durch bestimmte Erfahrungen ausgelöst wird, weist darauf hin, dass wir Grenzen in uns haben, die ein Potenzial für mehr Lebendigkeit und Flexibilität in sich bergen, wenn es uns gelingt, sie mit Hilfe unserer Entschlossenheit, Tatkraft und Risikobereitschaft zu überwinden.

Lernen heißt, Grenzen zu überschreiten


Die Wirklichkeit unseres Lebens beschert uns beständig Chancen für das Lernen. Lernen heißt, die Grenzen des Bisherigen zu überschreiten und Räume und Strukturen zu verändern. Wir können diese Angebote annehmen oder übergehen. Wir sollten uns nicht beim Leben beschweren, dass es nicht gut mit uns umgeht, wenn es uns Lektion über Lektion serviert. Es tut genau das, was wir brauchen, um wachsen zu können, und manchmal gibt es Zeiten, in denen dieses Angebot überbordend und allzu reichlich über uns hereinbricht, und manchmal träufelt es anscheinend spärlicher. Manchmal sind die präsentierten Lernkapitel heftiger, manchmal sind sie subtiler.

Leben ist Wachsen, und für Menschen ist das innere Wachsen von größter Bedeutung. Wachsen heißt, Grenzen zu verändern und zu erweitern. Dadurch entstehen neue Strukturen und Vernetzungen. Inneres Wachsen ist also nicht nur quantitativ, sondern immer auch qualitativ, ein Wachsen an Dichte und Tiefe, an Verfeinerung und Detaillierung. Es vermehrt sich die Fähigkeit, mit der Differenzierung der Welt im Inneren wie im Äußeren adäquat umgehen zu können, damit kann auch die Wirklichkeit vermehrt in ihrer Differenziertheit erkannt, geschätzt und genutzt werden. Dieser Nutzen ist ein geteilter, ein Teil kommt mir als dem Initiator und Rahmengeber für das Wachstum zu, der andere Teil gehört der Wirklichkeit in ihren verschiedenen Bereichen, der Realität in mir und der um mich herum, also den anderen Menschen und Lebewesen und Dingen. Je reicher wir sind, desto mehr können wir teilen, und je mehr wir teilen können – über die Grenzen hinweg – desto reicher wird unsere Erfahrungswelt.

Vgl. Grenzen und Durchlässigkeit

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