Donnerstag, 13. Oktober 2016

Kanadas Völkermord und die Folgen

Die Kanadierin Amy Bombay, Psychiatrieprofessorin an der Dalhousie-Universität hatte erst als Erwachsene herausgefunden, dass ihre Großeltern ein Missbrauchssystem überlebt hatten - ein von der Regierung bezahltes Programm an religiösen Schulen, das dazu diente, tausende indigene Kinder der euro-kanadischen Kultur anzupassen. Bombay sagte, sie war entstellt vom Schmerz der Vergangenheit aus dem dunklen Vermächtnis kanadischer Internate. „Viele Eltern redeten nur über diese Schulen, wenn wie betrunken waren, und dann haben sie geweint. Das war die einzige Gelegenheit, darüber etwas zu hören.“

Zwischen den späten 50er und den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurde ungefähr ein Drittel (über 150 000) der indigenen Kinder ihren Eltern weggenommen und unter unterdrückenden Bedingungen, Zwangsarbeit und Isolation eingesperrt. Viele Überlebende berichten von sexuellem und körperlichem Missbrauch. Mindestens 4 000 Kinder starben. Das Programm sollte die Identität der indigenen Bevölkerung auslöschen und wird heute weitgehend als Völkermord eingestuft. Die Überlebenden dieser Schulen tragen noch immer die Wunden in sich, die zu posttraumatischen Störungen, Drogenmissbrauch und Gewalt führen, und es kann Generationen dauern, bis sie geheilt werden.

Aus jüngeren Studien wissen wir, dass Traumen zwischen den Generationen weitergegeben werden können. Ein Beispiel sind Holocaust-Überlebende und ihre Kinder und Enkelkinder. Die Theorie des epigenetischen Erbes besagt, dass Außenbedingungen die Gene künftiger Generationen verändern können. Chemische Anhängsel heften sich wie Post-its an die DNA und bewirken, dass Gene ein- oder ausgeschaltet werden. Ein Forschungsteam des Mount Sinai Hospital in New York unter Leitung von Rachel Yehuda, einer führenden Expertin für posttraumatischen Stress und Epigenetik, konnte nachweisen, dass solche Anhängsel über die Generationen weitergegeben werden können. Bei Forschungen mit schwangeren Müttern im World Trade Center während des 9/11 konnte sie entdecken, dass die traumatischen Erfahrungen die ungeborenen Kinder genetisch beeinflussten.

Es gibt aber auch eine positive Seite. Die epigenetischen Veränderungen, die die Plastizität unserer Gene unter Beweis stellen, können auch im Sinn des Aufbaus von Resilienz genutzt werden. Allerdings sind diese Zusammenhänge noch wenig erforscht.

Unsere genetische Ausstattung ist nicht statisch, sondern dynamisch. Deshalb ist die Art und Weise, wie wir leben, nicht nur für uns selber bedeutsam, sondern beeinflusst auf recht direkte Weise unsere Nachkommen. Und wenn wir die ererbten Belastungen aufarbeiten, kommt das auch allen nachfolgenden Generationen zugute.

Hier zur Quelle für diesen Artikel.

Vgl. Epigenetische Weitergabe von Stress 
Kindliche Traumatisierung verändert die Gene 
Materialien zur Epigenetik

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen