Mittwoch, 18. Mai 2016

Die rechte Rhetorik: Perfide und zugleich simpel

„Predigen Sie etwas Einfaches. Teilen Sie die (soziale) Welt in zwei Teile: in DIE WIR und in DIE ANDEREN. Definieren Sie DIE WIR als bedroht. Geben Sie niemals einen Fehler zu. Bei Angriffen: Wechseln Sie blitzschnell in die Opferrolle. Erfinden Sie Sündenböcke. Erklären Sie Ihr Weltbild durch (erfundene) Einzelfälle. Polarisieren Sie. Erfinden Sie für alles unüberbrückbare Gegensätze.“

So zitiert der Journalist Hans Rauscher den Kommunikationswissenschaftler Walter Ötsch, der sich mit der Rhetorik der Rechtspopulisten beschäftigt hat. Wir können daran erkennen, dass der rechte Rhetoriker sein Publikum in den Kampf-Flucht-Modus verleiten will. Er erzeugt eine Angst, indem er eine Gefahr an die Wand malt. Rechte Politiker fürchten sich vor Chemtrails, Vegetariern und Flüchtlingsmassen. Oder – wir wissen ja gar nicht, ob sie sich selber fürchten oder die Furcht nur anderen einimpfen wollen.

Jedenfalls wollen sie Ängste wachrufen und in die Menschen einpflanzen, und die Erfolge geben ihnen recht. Ängstliche und ängstlich gemachte Menschen sind unsicher und lassen sich leichter vor den eigenen Karren spannen. Sie fühlen sich verstanden und reagieren mit Begeisterung und Hysterie, wenn der Angstprediger auftaucht. Denn er erfüllt eine Doppelrolle: Zunächst macht er die Bedrohung dingfest und gibt damit den Eindruck, dass er jemand ist, der den Durchblick hat, der weiß, von wo der Wind der Gefahr droht. Damit bietet er sich als Rudelführer an. Dann blicken die verängstigten Augen zu ihm auf und er bietet sich als der Retter an. Natürlich muss er gewählt werden. Denn er ist der, der sich am besten auskennt (alles, was ihm widerspricht, ist linkslinks und damit von vornherein doppelt Pfui, oder stammt aus der „Lügenpresse“, die von sinistren Drahtziehern gesponsert und manipuliert ist).

Sicher, wer verstanden hat, dass wir fortwährend Wirklichkeiten konstruieren, dass wir Prägungen haben, die uns bestimmte Wirklichkeitskonstruktionen wahrscheinlich machen, und dass wir unter Angst möglichst einfache Wirklichkeitskonstruktionen bevorzugen, wird nicht so leicht auf die Propagandamaschine hereinfallen, die von rechter Seite in ganz Europa und mit besonderer Perfidie in Österreich auf Hochtouren arbeitet. Wer verstanden hat, dass die Wirklichkeit immer komplexer ist als unsere Konstruktionen, und wer verstanden hat, dass wir über die Zukunft nichts wissen und vorher wissen können und dass wir auf die langfristig Entwicklung der kollektiven Vernunft vertrauen können, wird gelassen bleiben können angesichts der ausgestreuten Ängste und auch angesichts zunehmender Erfolge der Angstillusionserzeuger. Denn die Retter wollen mit Hilfe ihrer Opfer an die Macht kommen und scheitern, sobald sie mit der Komplexität der Wirklichkeit konfrontiert sind.

Wer nicht komplex denken kann (also nicht einmal die Anfangsgründe der systemischen Vernunft verstanden hat), wird keine langfristigen Einflüsse auf die vielfältige Realität ausüben können, sondern irgendwelche Löcher stopfen, die anderswo wieder aufbrechen. Die Angstmacher sind nicht fähig zu Visionen, denn Ängste blockieren die Intelligenzentwicklung und die Kreativität. Die Fixierung auf die Durchsetzung der eigenen Ideologie verhindert durchgreifende zukunftsorientierte Reformen. Rechte Politiker sind unfähig, das Ganze eines Staatswesens und seiner Angehörigen im Blick zu behalten, und deshalb können ihre Eingriffe in die Strukturen keine dauerhaften Resultate bringen. Der Schaden, den sie anrichten, kann heftig sein, z.B. im kulturellen Bereich, wo zu erwarten ist, dass die gehasste und verleumdete Avantgarde und fortschrittliche Kunst auf Förderungen zugunsten von Heimat- und Trachtenvereinen verzichten muss. Die Modernisierung soll aufgehalten werden, so lange und so gut es geht. Im Grund geht es um Abwehr, Abwehr dessen, was ohnehin nicht aufzuhalten ist, sondern was nur verzögert werden kann. Das Verzögern kommt teuer, aber die Räder, die rückwärts gedreht werden, drehen sich dann, wenn der Spuk wieder vorbei ist, umso schneller nach vorne. Freilich laufen die Kosten weiter, die, die aufgewendet werden müssen, um die angerichteten Flurschäden zu bereinigen. Aber wir haben's ja.

Was den massivsten Einbruch der rechten Ideologie in die Gesellschaft anbetrifft, den Nationalsozialismus, sind die angerichteten Schäden noch lange nicht aufgearbeitet. Auch deshalb bietet sich der rechten Rhetorik bis heute ein fruchtbarer Nährboden. Doch führt kein Weg darum herum, denn die Schädigungen, die der rechte Extremismus angerichtet hat, betreffen nicht nur die Materie, sondern gehen vor allem tief in die Seelen. Deshalb braucht es eine eingehende und umfassende Geschichtstherapie.

Wir haben es hier in Österreich „nur“ mit einer „sozialen Heimatpartei“, also keiner sozialen Nationalpartei, geschweige denn mit einer nationalen Sozialpartei zu tun, eine Partei, die schon einmal eindrucksvoll ihre Unfähigkeit im Gestalten und Regieren und ihre Schamlosigkeit in der Selbstbedienung unter Beweis gestellt hat. Zu mehr ist sie vermutlich auch in diesen Tagen aufgrund der Enge ihrer Ideologie nicht in der Lage, im Guten wie im Bösen. Mit jeder rhetorischen Tirade, die aus diesem Eck in die Öffentlichkeit dringt, verstärkt sich dieser Eindruck.

Literatur: Walter Ötsch: Haider Light. Handbuch für Demagogie.  Wien Czernin, 1. Auflage 2000. 

Genauere Hinweise zur rhetorischen Trickkiste von Norbert Hofer finden sich unter diesen Adressen: Was kann man gegen Kampf-Rhteorik machen?  sowie Norbert, der Profi

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