Dienstag, 8. September 2015

Atmen kann Autoimmunreaktionen steuern

Intensives Atmen bewirkt Erstaunliches. Wer einmal Kaltwasseratmen ausprobiert hat und vorher ängstlich jeden Kontakt mit kaltem Wasser vermieden hat, weiß, wovon die Rede ist: Stark atmend, können sich im Kontakt mit dem kalten Wasser Angst und Schmerz in Ekstase verwandeln. 

Der Holländer Wim Hof hat viele Extreme mit Hilfe der Atmung bewältigt:
Marathonläufe in der Hitze und in der Kälte (bloßfüßig, in der Badehose), Kilimandscharo-Besteigungen (5 000 Meter hoch) in kurzer Hose, ohne Hemd und im Rekordtempo, Schwimmen im Polarmeer, 80 Minuten im Eisbecken bei 1 Grad plus, usw.

Bei der Global-Inspiration-Conference 2015 in Teneriffa hat er über hundert Leute in das Eiswasserbecken geführt, um zu demonstrieren, dass diese Erfahrung, bei entsprechender Vorbreitung, für jeden Menschen möglich ist. Die Vorbereitung besteht in intensven Atemübungen.

Was passiert, wenn wir mit der Atmung aufdrehen, um, wie es heißt, "die Energie aufzubauen"? 

Schnelles und tiefes Atmen führt das Nervensystem in den Sympathikus-Modus. Die Reserven werden mobilisiert und die Empfindlichkeiten zurückgestellt. Wir gehen an unser Leistungsmaximum. Zugleich wird die Adrenalin-Produktion hochgefahren, das bekannte Stresshormon wird im ganzen Körper verbreitet, deutlich messbar nach dreißig Minuten Atemübungen. Es bewirkt, dass wir schmerzunabhängiger werden. Und es bewirkt, dass die Immunabwehr unterdrückt wird.

In einem wissenschaftlich begleiteten Experiment hat eine Gruppe von Wim-Hof-Atmern abgestorbene E. Coli-Bakterien injiziert bekommen, ebenso wie eine Kontrollgruppe. Die Kontrollgruppe reagierte, wie zu erwarten war, mit heftigen Reaktionen des Immunsystems (Fieber, Schüttelfrost usw.). Die Intensiv-Atmer dagegen zeigten kaum Symptome oder wesentlich schwächere. 

Die holländischen Forscher, die das Experiment begleiteten, stellten fest, dass das Säure-Basen-Gleichgewicht im Blut und der Sauerstoffgehalt während der Zyklen der Atemübungen mehrfach rauf und runter ging. Sie schlossen daraus, dass wir in der Lage sind, unser Immunsystem durch gezielte Übungen zu beeinflussen. Damit eröffnet sich die Chance, Autoimmunkrankheiten durch Selbstkontrolle in den Griff zu bekommen. 

Autoimmunstörungen treten als Folge von chronischen Entzündungen auf. Sie verbreiten sich stark, obwohl es keine Ansteckung gibt. Bei diesen Störungen reagiert das menschliche Immunsystem zu heftig, dass die Reaktion den eigenen Körper angreift. Gelingt es jedoch, die überschießende Immunreaktion zu unterdrücken, dann kann das Leiden verringert oder geheilt werden.
Sollten sich die Untersuchungen durch weitere Experimente bestätigen, wäre ein erster Hinweis abgesichert, wie das Nervensystem auf das Immunsystem einwirkt. Das bedeutet, dass wir bewusst und gezielt mit Übungen von innen her regulierend, also aus der Ersten-Person-Perspektive auf unser Immunsystem einwirken können.

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