Dienstag, 30. September 2014

Das Angstgedächtnis

Ein Rascheln im Unterholz in der Wildnis: Das ist ein Geräusch, das ein Tier oder einen Menschen sofort anhalten und leise werden lässt, in Erwartung eines Angreifers. Dieses „Einfrieren“ ist Teil der Angstreaktion, eine Reaktion auf einen Reiz aus der Umgebung und Teil der Orientierung des Gehirns, ob es nun davor Angst haben soll und die gesamte Angstkaskade einleiten soll.

In einer Studie des Cold Spring Harbor Laboratory (Assistant-Professor Bo Li und Professor Z. Josh Huang) wurde untersucht, wie Angstreaktionen erlernt, kontrolliert und erinnert werden. Es konnte gezeigt werden, wie eine besondere Gruppe von Neuronen in einer Unterteilung der Amygdala aktiv bei diesen Prozessen mitwirken.



Das Angstgedächtnis in der Amygdala


Aus früheren Forschungen weiß man, dass Strukturen innerhalb der Amygdala, einem Paar von mandelähnlichen Gebilden tief drinnen im Gehirn für Gefühle und Verhaltenssteuerung über Belohnung zuständig sind und auch Teil des Kreislaufes sind, der das Angstlernen und –gedächtnis steuert. Es handelt sich insbesondere um eine Region, die als zentrale Amygdala (CeA) bezeichnet wird, die als passives Relais für die Signale, die innerhalb dieses Kreislaufes weitergegeben werden, angesehen wurde.

Das Forschungslabor von Li stieß während der Untersuchung dieses Kreislaufes auf die Beobachtung, dass Neuronen innerhalb der zentralen Amygdala namens laterale Unterabteilung (CeL) bei Mäusen „aufleuchteten“, die einer bestimmten Belastung ausgesetzt waren. Schon bisher wurde angenommen, dass es zu Veränderungen in der Stärke der Neuronenverbindungen in der zentralen Amygdala kommen muss, wenn das Angstgedächtnis eingeprägt wird, aber es konnte bisher noch nicht bewiesen werden. Das führte zu einer weiteren Frage: Wenn die zentrale Amygdala das Angstgedächtnis bildet, wie werden dann diese Gedächtnisspuren ausgelesen und in Angstreaktionen übersetzt?


Im Versuch wurden Mäuse einem Angsttest ausgesetzt, bei dem ihnen eine Reaktion auf  einen akustischen Reiz ankonditioniert wurde. Die Mäuse „froren ein“, in einer üblichen Form der Angstreaktion, wann immer sie einen der Töne hörten, auf den sie trainiert waren. Um die beteiligten Neuronen zu studieren, wurden Untersuchungsmethoden angewendet, bei denen ein ganz dünnes fiberoptisches Kabel direkt in den Bereich mit photosensitiven Neuronen eingepflanzt wurde. Dadurch konnte das Team Farblaser mit hoher Präzision auf die Zellen richten und sie dadurch aktivieren. Diese Technik heißt Optogenetik. Alle Veränderungen im Verhalten der Mäuse als Reaktion auf den Laser wurden aufgezeichnet.



Ein Teil der zentralen Amygdala kontrolliert den Angstausdruck


Die Fähigkeit, genetisch definierte Neuronengruppen zu erforschen, war deshalb wichtig, weil es zwei Neuronensets gibt, die für das Angsterlernen und für Gedächtnisprozesse wichtig sind. Der Unterschied zwischen beiden liegt in der Ausschüttung von nachrichtenübermittelnden Neurotransmittern in die Synapsen zwischen den Neuronen. In einer Untergruppe der Neuronen wurde die Neurotransmitterausschüttung gesteigert und in einem anderen reduziert. 


Genauer gesagt, führt die Angstkonditionierung zu erfahrungsabhängigen Veränderungen in der Ausschüttung von Neurotransmittern bei exzitatorischen Synapsen, die mit hemmenden Neuronen verbunden sind – Neuronen, die die Aktivität anderer Neuronen unterdrücken – in der zentralen Amygdala. Diese Veränderungen in der Stärke der neuronalen Verbindungen sind als synaptische Plastizität bekannt.


Eine besonders wichtige Entdeckung waren die somatostatin-positiven (SOM+) Neuronen. Somatostatin ist ein Hormon, das die Neurotransmitterausschüttung betrifft. Li und seine Kollegen fanden heraus, dass die Bildung des Angstgedächtnisses geschädigt wurde, wenn die Aktivierung der SOM+ Neuronen unterbunden wurde.


SOM+ Neuronen sind notwendig, damit Angsterinnerungen wachgerufen werden können. Es war ausreichend, diese Neurone zu aktivieren, um Angstreaktionen hervorzurufen. Die Amygdala ist also kein passives Relais für die Signale, die das Angstlernen und –reagieren bewirken, sondern eine aktive Komponente, angetrieben von Impulsen aus der lateralen Amygdala, mit der sie verbunden ist. Das Angstgedächtnis in der zentralen Amygdala kann also den Kreislauf so modifizieren, dass er in Handlungen übersetzt wird, in die Angstreaktion.  Es besteht die Hoffnung, dass aus diesen Erkenntnissen Einblicke gewonnen werden können, wie posttraumatische Stressstörungen und andere mit abnormem Angstlernen verbundene Störungen beeinflusst werden können.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen