Samstag, 20. April 2013

Die Eso-Hasser und das Skeptiker-Syndrom

In der reichhaltigen Kommunikationswelt, in der wir unser Leben führen, gibt es die vielfältigsten Strömungen und Interessensgruppen. Im weiten Feld der Therapien und Heilmethoden spiegelt sich diese Vielfalt wieder. Auch hier gibt es Revierstreitigkeiten und Konkurrenzkämpfe, weil es ja nicht nur um die Verbesserung des Lebens, sondern auch um Macht und Geld geht. Außerdem und gerade dadurch entstehen Unsicherheiten und Orientierungslosigkeiten. Wenn ich ein körperliches Leiden habe, wohin soll ich mich wenden: Klassische Medizin oder alternative Heilwege, den Onkel Doktor oder die Geistheilerin? Wenn ich ein seelisches Leiden loswerden will, wen soll ich konsultieren, eine Psychoanalytikerin, einen Gestalttherapeuten, eine Engelskartenlegerin oder einen Handaufleger?


Die Rationalisten


Manche Menschen schwören auf alles, was geheimnisvoll und auserwählt klingt und gehen konventionellen Methoden prinzipiell aus dem Weg, andere wieder stellen alle Nackenhaare auf, wenn von „Energieströmen“ und „Naturgeistern“ die Rede ist. Sie gehören zur Kategorie der Skeptiker. Sie setzen auf die wissenschaftliche Rationalität. Wahr ist nur, was sich allgemein gültig überprüfen lässt. Die Kriterien der Allgemeingültigkeit werden in der modernen Wissenschaft, vor allem in der Physik, definiert und gelten dann für die gesamte Wirklichkeit. Jede Erkenntnis, die diesen Kriterien nicht entspricht, ist als solche zu entlarven und muss angeprangert werden, damit die Menschen nicht auf sie hereinfallen.

Von dieser Haltung angezettelt, haben sich richtige Schlachtfelder vor allem im Bereich der Alternativmedizin (Stichwort Homöopathie) entwickelt, wo es um viel Geld und Macht geht. Zwar haben sich die Skeptiker auf weite Strecken im politischen Feld durchgesetzt und dominieren die institutionellen Strukturen, doch hält das viele Menschen nicht davon ab, weiterhin Hilfsangebote abseits der konventionellen Medizin zu konsultieren – offenbar mit Erfolg und subjektivem Nutzen, sonst würde es diese Hilfsangebote nicht mehr geben. Es gibt auch viele klassisch ausgebildete Ärzte, die andere, krankenkassenmäßig nicht anerkannte Methoden anwenden, offenbar weil sie der Meinung sind, dass das, was sie auf der Universität und im Spital gelernt haben, nicht ausreicht, um alle Menschen gesund zu machen.

Solche Phänomene beunruhigen die Skeptiker und motivieren sie, propagandistisch aktiv zu werden. Zu diesem Zweck gibt es eine Plattform im Internet, die sich laut Eigendefinition „als kritischer Verbraucherschutz vor scheinheiligen, nutzlosen und wirkungslosen Produkten, Therapien und Ideologien“ versteht: www.psiram.com.  Sie will „falsche Prediger, Ideologen, Scharlatane und Betrüger” präsentieren und damit den Geldbeutel der Verbraucher schützen.

Diese an sich lobenswerten Ziele werden aber konterkariert durch seltsame und widersprüchliche Praktiken. Hinter der Plattform, die ursprünglich „Esowatch“ hieß, aber nach Gerichtsverfahren (wegen Verleumdung, übler Nachrede und Domain-Diebstahl) zusperren musste, steckt die „Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften“ (GWUP).

Claus Fritzsche, Medizin- und Wissenschaftsjournalist, schreibt über diese Organisation: „Es gibt innerhalb der GWUP eine ganze Reihe von Mitgliedern, die ohne hinreichende fachliche Kenntnis der jeweiligen Materie eine Art Weltanschauungskampf gegen alles führen wollen, was sie mit dem Begriff „paranormal“ assoziieren, die dabei auch (bewusst oder unbewusst) eine selektiv-einseitige Darstellung der Fakten und Argumente sowie zuweilen auch emotional-unsachliche rhetorische Taktiken in Kauf nehmen, während sie an wissenschaftlichen Untersuchungen zu Parawissenschaften höchstens insofern interessiert sind, als deren Ergebnisse „Kanonenfutter“ für öffentliche Kampagnen liefern könnten.“



Das Skeptiker-Syndrom


Der Soziologe Edgar Wunder, Gründungsmitglied der GWUP und  auch später ausgestiegen, hat den Begriff des „Skeptiker-Syndroms“ geprägt, mit dem die eigentümliche Dynamik beschrieben wird, wie die Bekämpfer von Sekten selber eine Gruppe mit sektenartigen Elementen bilden, ohne das zu merken. Und wie Leute, die Betrüger und Schwindler entlarven wollen, selber zu Internet-Mobbern und Rufschädigern werden.

Unter anderem gehören zu diesem Bild die folgenden Merkmale:
•    Eine missionarische Einstellung, die vorgibt, die Gesellschaft zu schützen, indem „paranormale“ Ideen bekämpft und deren Vertreter entlarvt werden.
•    Die Berufung auf Wissenschaft, ohne dass selber wissenschaftlich geforscht wird, statt dessen werden Vorurteile weitergegeben, wie: „Das ist ja klar, dass das Quatsch ist, das sieht man ja sofort, dass das Unfug ist.“
•    Irrationale Bedrohungsszenarien, wie: „Die Welt wird von Unsinn überflutet.“
•    Maßlose Überschätzung der eigenen Bedeutung: Wir sind die Elite, die alles durchschaut.
•    Die Pathologisierung der „Gegner“, die als geisteskrank, gestört oder dumm abgeurteilt werden oder denen blind „Betrügerei“ und anderen kriminellen Absichten unterstellt werden.
•    Aburteilung von Menschen, besonders beliebt mit dem Stichwort: „Esoteriker“, das als solches schon ausdrückt, dass ein solcher Mensch einen geistigen Schaden hat.
•    Stereotypes Lagerdenken: Hier die skeptischen Gutmenschen, dort die gefährlichen Paranormalen.
•    Keine persönlichen Erfahrungen: Die kritisierten Praktiken wurden selber nie ausprobiert, weil ja von vornherein klar ist, dass sie nichts bewirken können.
•    Undemokratische Strukturen, Geheimhaltung.



Psiram


Ein paar Details zu der Psiram-Seite: Sie ist mit der Wikipedia-Software gestaltet und will offenbar damit den Eindruck von Seriosität wahren. Inwieweit manche Redaktoren von Wikipedia mit Psiram verflochten sind, ist m.W. nicht geklärt, auch weil alle Psiram-Autoren anonym sind, lässt sich aber aus einigen Psiram-Blog-Einträgen ableiten. Jedenfalls ist in Wikipedia über Psiram nachzulesen: „Die Autoren agieren ausschließlich unter Pseudonymen, die Betreiber sind unbekannt. Das anonyme Auftreten wird von Psiram mit möglichen Belästigungen identifizierbarer Kritiker durch die Esoterikszene gerechtfertigt. Die Domain esowatch.com wurde über eine Firma in Hongkong registriert, der Registrar von psiram.com hat seinen Sitz in Panama. Neue Autoren werden nach eigener Angabe erst auf Anfrage und bei Eignung als Psiram-Autoren zugelassen.“ Interessant ist allerdings, dass in Wikipedia nichts von den Gerichtsverfahren gegen Esowatch/Psiram berichtet wird.

Diese Form der skeptischen Publikation ist ein vorwiegend deutsches Phänomen – die Seite hat ca. 2600 deutsche Einträge, 226 französische und nur 93 englische. Darum findet sich auch ein sehr einseitiger Bericht zu Bert Hellinger und zur Familienaufstellung. Wer auch nur eine oberflächliche Kenntnis von der Person und von der Methode hat, erkennt sofort, dass hier mit einem unfairen, wenn nicht bösartigen Maß gemessen wird. Um nur ein Beispiel hervorzuheben: Es wird beim Artikel über das Familienstellen unter der Überschrift „Anwenderkreis“ eine einzige Person vorgestellt, der vorgeworfen wird, dass sie in einer Talkshow gesagt haben soll, „dass die Deutschen über weite Strecken Opfer sind.“ Es gibt Zehntausende Anwender dieser Methode auf der ganzen Welt, was bedeutet da eine Aussage einer einzigen Anwenderin? Außerdem wird sie als inkompetent charakterisiert, weil sie „Medizinlaie und ausgebildete Diplom-Volkswirtin“ sei. Also können nach Meinung von Psiram nur Medizinprofis gute Familienaufstellungen machen.

Die Hellinger-Debatte ist über weite Strecken ein deutsches Phänomen und hat mit der Frage zu tun, wie der Nationalsozialismus aufgearbeitet werden soll. Die Auseinandersetzung um die Vergangenheitsbewältigung ist ein seriöses und wichtiges Thema, es kann aber nur sinnvoll geführt werden, wenn ein Minimum an persönlichem Respekt herrscht, und diese Haltung fehlt den Psiram-Autoren als Grundeinstellung. Vielmehr ist augenfällig, wie sie zwar hochsensibel (echtes oder vermeintliches) rechtsradikales Gedankengut aufspüren, selber aber in der Aggressivität ihrer Darstellung und Wirklichkeitsverzerrung auf menschenverachtende Einstellungen zurückgreifen, wie sie in ganz ähnlicher Form von den Nationalsozialisten gebraucht wurden.

So lesen sich viele Einträge in Psiram wie die Beipackzettel von Medikamenten, nur ist alles weggelassen außer die Informationen über mögliche schädliche Nebenwirkungen. Es geht also nicht um umfassende Information, Aufklärung, sachliche Würdigung und Kritik, sondern um Abwertung und Diffamierung von vorverurteilten Menschen, Methoden oder Produkten.



Eigene Erfahrungen mit dogmatischen Skeptikern


Ich wurde selber schon von einem – natürlich –  anonymen Poster eines Internet-Forums als „esoterischer Psychotherapeut“ abgestempelt, als Hinweis, dass das, was so jemand schreibt, nicht ernst genommen werden muss, soll und darf. Schnell ist die Eso-Keule gezückt, und jede differenzierte und sachliche Argumentation erübrigt sich. Man braucht sich auch nicht die Mühe zu machen, nachzulesen, was ich über Esoterik geschrieben habe, weil die Etikettierung dann nicht mehr so eindeutig ausfallen könnte.

Vor vielen Jahren hatte ich das Rebirthing-Atmen mit sehr viel persönlichem positivem Gewinn kennengelernt. Das motivierte mich, die Methode nach entsprechender Ausbildung an andere weiterzugeben, und bemerkte, dass sie den meisten Menschen, nicht allen, aber doch sehr vielen, tiefe heilsame Erfahrungen brachte. In der Zeit las ich in einer Zeitschrift einen reißerischen und abwertenden Artikel gegen diese Methode. Ich nahm Kontakt mit dem Verfasser des Artikels auf, mit der Erwartung auf eine sachliche Auseinandersetzung. Doch nach etwas Briefverkehr (das war die Zeit, in der noch Briefe geschrieben wurden…), bei dem ich merkte, dass ich auf einen sehr verhärteten Standpunkt traf, kam eines Tages in einem Antwortschreiben der Satz: „Im Übrigen habe ich es mir zum Ziel gesetzt, dass diese Methode zerstört wird.“ Damit beendete ich den Austausch, verwundert, welche Ziele Menschen manchmal verfolgen: In der vermeintlichen Absicht, Menschen vor Schaden zu schützen, etwas vernichten zu wollen, was Menschen viel Gewinn bringen kann.

(Das Ziel wurde übrigens bis heute nicht erreicht. Ich selber verwende zwar den Begriff nicht mehr, weil ich für mich in Anspruch nehme, die Methode weiterentwickelt zu haben. Dennoch gibt es auf der ganzen Welt viele Therapeuten, die die Rebirthing-Methode anwenden. Wenn sie so gefährlich und schädlich wäre, wie das manche Kritiker annehmen, müsste sie schon längst von selbst verschwunden sein.)



Undogmatische und dogmatische Skeptiker


Wenn wir Skeptikern begegnen, ist es wichtig zu unterscheiden, ob sie undogmatisch oder dogmatisch sind. Das wird man z.B. daran merken, ob sie den Wert von Eigenerfahrungen anerkennen, z.B. wenn jemand sagt: „Ich kann besser schlafen, seit ich mein Bett auf Rat von einem Wünschelrutengänger entstört habe“. Sie können vielleicht fragen, ob es auch andere Ursachen für die Verbesserung des Schlafes geben kann, stellen aber nicht grundsätzlich die Erfahrung in Frage in der Art: „Das ist sicher nur eine Einbildung.“ Man kann es auch daran merken, dass sich das Gespräch im Kreis dreht, weil der Gesprächspartner keinen Zentimeter von seiner Position abweicht und mit den immer gleichen Argumenten kommt.

Sobald also der Eindruck entsteht, dass der Gesprächsablauf ähnlich frustrierend ist wie mit einem Zeugen Jehovas, ist klar, dass der Kommunikationspartner ein dogmatischer Skeptiker ist. Dann kann es das Sinnvollste sein, das Gespräch freundlich und klar zu beenden. Gespräche sind nur dann gut, wenn jeder Gesprächspartner bereit ist, sich durch das Gespräch verändern zu lassen. Sie sind dann sinnlos, wenn der andere nur seine eigene Meinung durchsetzen und bestätigen will.

Claus Fritzsche zum Nachlesen
Edgar Wunder zum Nachlesen


Vgl.: Was ist Esoterik?
Vgl.: Die Wunderheiler

1 Kommentar:

  1. Es wäre gut, gäbe es eine "Readers Digest"-Version dieses Textes "Das Skeptiker-Syndrom" von Edgar Wunder.
    Habe ihn gerade mal versucht normal schnell zu lesen, und gestoppt.
    30min.
    Mir geht es um eine konzentrierte Version die so weit gekürzt ist, dass sie auch "Passanten" in wenigen Minuten lesen würden.
    Z.B. wenn Sie an einem Platz stehen, es nicht eilig haben, und z.B. auf einem Gebäude projizierter Text erscheint.

    Das gleiche Ziel wie es die GWUP hat, die Öffentlichkeit zu beeinflussen.
    In diesem Fall um aufklärend gerechtfertigte Stimmung gegen die GWUP zu machen.

    Als Ich es las, dachte Ich bei so viel "dass sollte man nicht weglassen" oder "wie sollte man das kürzen".
    Aber genau das müsste man tun.
    Also z.B. 5 Minuten Lesedauer. Und wenn man das dann z.B. als Präsentation die man auch auf Gebäude projizieren kann (das war kein übertriebenes Beispiel, also z.B. weiß auf Schwarz, nicht zu kleiner Text...) produziert, kann jeder es so verbreiten wie es den eigenen Möglichkeiten entspricht.
    Z.B. "Guerilla-Beaming", Bildschirm hinter der Scheibe eines geparkten Autos, Flyer etc..

    P.S.: Ich stimme Frau Grams zu. Aber beim Thema "Skeptiker-Syndrom" sind wir uns einig.
    Was das Thema selbst angeht, im Gegensatz zu wahrscheinlich vielen Mitglieder der Sekte GWUP kenne Ich:
    * Tonbandstimmen-Experiment von 1972: vtf.de/p73_1.shtml
    * Philip-Experiment:
    - Wikipedia: https://en.wikipedia.org/wiki/Philip_experiment
    - Video: https://www.youtube.com/watch?v=MzNxHLe1_SQ
    * Erfolgreicher Test von Uri Geller durch die CIA in der Elite-Uni Stanford:
    - Freigegebenes Geheimdokument: https://www.cia.gov/library/readingroom/document/cia-rdp96-00787r000700110003-2
    - Freigegebenes Video der geheimen Versuche: https://youtu.be/p3MsqnWtMWY

    Drei belegte paranormale Phänomene.
    Alle drei sind jederzeit reproduzierbar.

    Da muss Ich eigentlich eine aktuelle Studie zum Thema Fernwahrnehmung nicht mehr erwähnen (denn es braucht nur EINEN Beweis für paranormale Phänomene, aber jedes Gegenargument muss einzeln belegt werden):
    - https://www.anomalistik.de/images/pdf/zfa/zfa2017_12_083_mueller_wittmann.pdf
    - https://www.grenzwissenschaft-aktuell.de/remote-viewing-machbarkeitsstudie-liefert-belege-fuer-aussersinnliche-wahrnehmung20170718/
    - https://www.forschung-und-wissen.de/nachrichten/psychologie/machbarkeitsstudie-liefert-belege-fuer-aussersinnliche-fernwahrnehmung-13372457
    Alles ganz bewusst keine Eso-Seiten.

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