Sonntag, 4. März 2012

Ein kurzes Verständnis von dem, was Leben ist und warum es das Ego gibt

Der Beginn des Lebens aus anorganischen Materialien vollzog sich auf unserer Erde vor ca. 4 Milliarden Jahren. Damit beginnt eine spannende Entwicklung, zu deren Verständnis wir zwei Ebenen unterscheiden können: Die individuelle Lebensperspektive und die größere Weisheit des Lebens.

Zur Definition des Lebens gehört, dass sich die Lebewesen als System von außen abschließen. Sie organisieren sich selbst (Autopoiesis nach Maturana und Varela). Sie pflanzen sich fort und verfügen über einen Stoffwechsel.

Lebewesen sind also immer Individuen, die sich von ihren Verwandten unterscheiden. Deshalb hat jedes Lebewesen auch seine eigene Geschichte und sein individuelles Schicksal. Wiewohl alle Lebewesen mit anderen verbunden sind, also immer in Kommunikation stehen mit der belebten und unbelebten Außenwelt, haben sie, davon unterschieden, eine spezielle Kommunikation nach innen, eine Selbstbezogenheit. Trotz der kommunikativen Verbundenheit hat also jedes Lebewesen seinen „Privatbereich“.

Die andere Perspektive der Lebensintelligenz (die wir manchmal Gaia nennen), begleitet diese individuellen Lebenswege und sorgt für die Verbindung zueinander sowie für die Weiterentwicklung. Sie zeigt sich in der ordnenden und weiterdrängenden Funktion in der Evolution.

Was können wir uns unter dieser Intelligenz vorstellen? Wenn wir uns einen „einfachen“ Vorgang, wie den einer Zellteilung anschauen, erkennen wir einen Plan mit genau festgelegten Schritten, die absolviert werden müssen, damit die Teilung gelingt. Dieser kann nur ablaufen, wenn sich die interne Kommunikation diesem Plan unterordnet. Würde sie sich in den Ablauf einmischen, käme alles durcheinander, und die Teilung würde misslingen.

Ein Beispiel dafür ist auch die „Sprache“, über die jedes Lebewesen in zumindest zweifacher (miteinander verschränkter, aber unterschiedlicher) Hinsicht verfügt, nämlich die Verständigung mit der Umwelt und mit sich selbst. Die Sprache als solche wird von dieser Intelligenz zur Verfügung gestellt, da die Entstehung von Sprache nicht aus der Kreativität eines Individuums denkbar ist.

Im Entwicklungsplan des Lebens gibt es krisenhafte Momente, die dann auftreten, wenn es darum geht, höhere Organisationsformen zu bilden. Die Entwicklung des Lebens, das Wachstum, verläuft nicht linear, sondern stufenförmig. Jede neue Stufe erfordert eine Umbildung innerhalb des Lebewesens. Die individuelle Intelligenz verfügt dabei nicht über ein umfassenden Verständnis dieses Ablaufes, weil sie nur über Erfahrungen aus der individuellen Erinnerung verfügt, in der der neue Schritt eben noch nicht vorgekommen ist. Außerdem unterliegen nicht alle Bedingungen und Unstände der individuellen Kontrolle. Deshalb wird der Entwicklungsschritt als Krise erlebt, die mit Unsicherheit, Angst und Verwirrung erlebt werden kann.

Nehmen wir die Geburt als Beispiel für einen derartigen Entwicklungsschritt. Wenn wir die Geburt innerlich nacherleben, stoßen wir auf Ängste, die auftauchen, wenn die Wehen einsetzen (zweite Geburtsphase nach Stan Grof). Diese Ängste entstehen im individuellen Bewusstsein, und dabei verliert es das Vertrauen im Bezug auf das größere Bewusstsein. Die Gaia-Intelligenz hingegen weiß, dass eine Geburt nur stattfinden kann, wenn Wehen einsetzen. Sie „kümmert“ sich nicht um die individuellen Ängste, sondern treibt die Geburt weiter. Aus der individuellen Sicht sind die Ängste begründet, das Baby hat keine Sicherheit, ob die Geburt gut verlaufen wird. Es kann die Umstände (die bewussten und unbewussten Reaktionen der Mutter, die Eingriffe der Geburtshelfer usw.) nicht kontrollieren und sich nicht auf die Lebensweisheit verlassen.

In Momenten, in denen das individuelle Bewusstsein in eine Krise kommt und Angst empfindet, verliert es den Kontakt zur größeren Weisheit, und dabei entwickelt sich das Ego. Wie es in vielen spirituellen Traditionen heißt, zeigt sich das Ego in der Abspaltung des Einzelnen vom Göttlichen. Und die Aufhebung der Spaltung liegt in der Hingabe an das Ganze.

Die biologische Basis dieser Einsichten können wir introspektiv nachvollziehen, wenn wir die Innenerfahrung von Krisenmomenten wie der Empfängnis, der ersten Zellteilung, der Geburt usw. nacherleben. Dann kommen die Ängste, Widerstände, Zweifel und Irritationen zu Bewusstsein. Es ist die Erfahrung, ganz auf sich allein gestellt zu sein, die Erfahrung des schutzlosen und ausglieferten Egos, das dann z.B. beschließt: „Ich muss alles alleine schaffen“ oder: „ich kann mich auf niemanden verlassen“ oder: „alleine schaffe ich gar nichts“ usw.

Wir kommen damit auch zu einer neuen Definition von Trauma: Es entsteht dann, wenn sich das individuelle Bewusstsein aufgrund einer als krisenhaft erfahrenen Situation vom organischen Gesamtbewusstsein abspaltet und wenn diese Krisenerfahrung nachträglich nicht entsprechend integriert werden kann, wenn also in der individuellen Erinnerung die Abspaltung mitsamt all den Angstgefühlen abgespeichert wird. Traumatische Erfahrungen sind also die Wurzeln des Egos, und dieses setzt sich aus Traumaerinnerungen zusammen und verarbeitet diese weiter zu seinen charakteristischen Mustern.

Wie geschieht dann die Heilung? Das individuelle und das organische Gesamtbewusstsein finden wieder zusammen, indem sich das Ego mit all seinen Ängsten und Verwirrungen der Gaia-Intelligenz hingibt. Wenn wir in der Regression zu den Krisenpunkten unserer Entwicklung zurückgehen, lassen wir zu, dass das Ego all seine Gefühle und Empfindungen voll erleben darf, und umfassen sie zugleich mit dem Strom des Lebens, das weitergeht und alles in sich aufnimmt, bis sich das aufgeregte und verstörte Ego beruhigt und im Ganzen auflöst.

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