Mittwoch, 14. Dezember 2011

Kanada und Kyoto - Politik der Symbole

Kanada steigt aus dem Kyoto-Protokoll aus, so einfach geht das, so einfach werden 14 Milliarden Dollar gespart. Natürlich gibt es keine Sanktionen, das Kyoto-Abkommen ist kein Vertrag, und es gibt keine Instanz, bei der ein Ausstieg eingeklagt werden könnte. Ist ja auch nur die „Umwelt“, die „Natur“, bei der es da geht. Sie hat keine Macht, keine Rechtsvertretung, keinen Anwalt. Die Menschen haben schon lange vergessen, dass sie Teil der Natur sind und ein Klima brauchen, in dem sie als Naturwesen existieren können. Solange die Klimaanlagen in den Wohnungen, Büros und Autos funktionieren, kann es uns egal sein, ob die Treibhausgasemissionen das Wetter ins Chaos stürzen mit Folgewirkungen, die niemand abschätzen kann.
Wir sind Teil der Natur, weil wir selber Natur sind und tagtäglich spüren, was geht und was nicht geht. Die Gesellschaft, oder, wie ich es nenne, das materialistische Bewusstsein (die naturfernste Form des Bewusstseins, die uns möglich ist), möchte allerdings von uns, dass wir nicht wie Natur, sondern wie Maschinen funktionieren.

Angeblich sorgt eine große österreichische Bank für den besten Zulauf zu den heimischen Psychiatern und steigert den Umsatz der Pharmaindustrie: Die Mitarbeiter dort werden derartigem Stress und einer effizienten Ausbeutung ausgesetzt, dass sie früher oder später zusammenbrechen und mit der Diagnose „Burnout“ in den Sozial- und „Gesundheits“-bereich ausgegliedert werden, sprich mittels Psychopharmaka weiter am Leben gehalten werden. Die Bank muss ja weiter Geschäfte machen und stellt inzwischen junge, „unverbrauchte“ Arbeitskräfte statt dessen ein, und behandelt sie so lange als Maschinen, bis auch sie ausfallen. Die Kosten für den menschlichen Raubbau übernimmt natürlich die Allgemeinheit, während die Bank ihre Gewinne ins Trockene bringt.

Solange wir also so tun, als wäre die Natur etwas da draußen, was uns Sorgen bereitet, wenn wir beim Sonntagsspaziergang die abgestorbenen Birken bedauern, solange wir annehmen, dass unsere Gesundheit in die Verantwortung des Gesundheitssystems fällt, solange wir also nicht zur Kenntnis nehmen, dass das, was unser Leben ausmacht, unser Körper mitsamt der Gefühle und Gedanken, die er auslöst, Natur ist, werden wir kein Verantwortungsbewusstsein für die Natur entwickeln können.

Herrn Peter Kent, dem kanadischen Umweltminister, der den Ausstieg seines Landes aus dem Kyoto-Protokoll verkündet hat, sei eine anhaltende und stabile Gesundheit gewunschen. Wird er jedoch, sollte die Natur in ihm (=sein Körper), ihm jemals Probleme bereiten, einen Zusammenhang erkennen, dass das, was ihn dann leibhaftig plagt und für das er Sorge tragen muss, um nicht zu sterben, die gleiche Natur ist, für die er als Politiker die Verantwortung abgelegt hat?

„Das Hemd ist uns näher als der Rock“, lautet ein Spruch. Unsere Gesundheit ist uns natürlich wichtig, jede Unpässlichkeit schmälert unsere Lebensqualität. Doch zeigt uns jede Krankheit, dass wir eine störungsanfällige Natur sind und dass wir auf ihre Regeln und Gesetzmäßigkeiten horchen müssen, um ein gutes und angenehmes Leben führen zu können.

Wie sollen wir diese Verantwortungsübernahme als Gesellschaft schaffen, wenn wir schon als Individuen damit Probleme haben? Umgekehrt, wenn die Gesellschaft, das politische und wirtschaftliche System im Zeichen einer kurzsichtigen und zynischen materialistischen Fixierung vorzeigt, wie leicht die Verantwortung für die Natur abgeschüttelt werden kann, fällt es schwer, bei der individuellen Integrität zu bleiben.

Es ist mir klar, dass das Kyoto-Protokoll nicht der umweltpolitischen Weisheit letzter Schluss ist. Der Handel mit Umweltzertifikaten erscheint mir als äußerst seltsame Konstruktion, ein Armutszeichen für eine Weltgesellschaft, der nichts besseres eingefallen ist, um ein Minimum an Klimabewusstsein zu implementieren.
Mir geht es um den Symbolcharakter der angeprangerten Aktion. Politik besteht zu einem wichtigen Teil nicht nur aus Buchstaben und Reden, sondern aus Symbolen. Und dem kanadischen Minister ist es gelungen, ein solches Symbol zu setzen, eines des nationalen Egoismus, der weltpolitischen Kurzsichtigkeit und der zynischen Naturverachtung. Wenn dann Zeitungen bei uns schreiben, wir könnten ja auch „ganz einfach“ aussteigen und damit soundsoviel Milliarden einsparen, sieht man, wie Symbole wirken.

Wo die Politik versagt, die richtigen Symbole zu setzen, müssen wir das für uns selber tun. Das einfachste Symbol, über das wir verfügen, ist der Atem – beim bewussten Einatmen und Ausatmen lassen wir die Natur durch uns hindurch wirken und anerkennen sie. Wir tauschen uns aus zwischen der Natur in uns und der Natur um uns herum, wir stehen in Kommunikation und stärken das Vertrauen. Wo Vertrauen herrscht, werden wechselseitige Verpflichtungen eingehalten. Wir übernehmen Verantwortung dort leicht, wo es um einen Partner geht, dem wir vieles, wenn nicht alles verdanken.

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